Abstract:
Das Ziel dieser Arbeit war es, die elektrophysiologischen Auswirkungen genetischer Mu- tationen (siehe Abschnitt 2.2.4) zu untersuchen. Anstatt auf der klassischen Hodgkin- Huxley-Formulierung basierende Modelle (siehe Kapitel 3) wurden dazu aktuelle Markov- Modelle verwendet (siehe Kapitel 4), deren Aufbau sich an die Konformationszusta ̈nde der Kanalproteine anpasst.Im Konkreten wurden dazu zwei Mutationen (E544A und E544K) in einem fu ̈r die Aktivie- rung und Deaktivierung verantwortlichen Bereich des Kanalproteins HERG kodierenden Gens betrachtet (siehe Abschnitt 5.1). HERG ist fu ̈r das Gating der schnellen Komponente des verzo ̈gert gleichrichtenden Kaliumstroms IKr verantwortlich, der einen entscheidenden Einfluss auf die Repolarisierungsphase wa ̈hrend des Verlaufs eines Aktionspotenzials hat (siehe Abschnitt 2.4.2). Die Mutation E544A, eine Substitution der Glutaminsa ̈ure durch Alanin, beschleunigt sowohl die Aktivierung als auch die Deaktivierung des Kanals. Die Mutation E544K, bei welcher Lysin anstatt Glutaminsa ̈ure eingebaut wird, verlangsamt dagegen die Aktivierung, wa ̈hrend die Deaktivierung schneller als im physiologischen Fall verla ̈uft.Um diese vera ̈nderte Kinetik zu simulieren, wurden zehn Parameter der von Mazhari et al. vorgestellten Markov-Kette des IKr-Kanals (siehe Abschnitt 4.5.2) angepasst. Die Ergebnisse, die mit den urspru ̈nglichen Parametern des Modells erzielt wurden (siehe Ka- pitel 6), zeigten starke Abweichungen zu den Messergebnissen an gesunden Zellen. Somit war es notwendig, auch die Parameter fu ̈r den Wildtyp neu zu bestimmen. Dabei muss auch noch einmal hervorgehoben werden, dass in allen Fa ̈llen lediglich Gating-Parameter vari- iert, aber die Dichte der Kana ̈le und damit die maximale Leitfa ̈higkeit konstant gehalten wurden. U ̈ber die Messung einzelner Kana ̈le hinausgehend ist es mithilfe des Zellmodells nun mo ̈glich, die Auswirkungen der gea ̈nderten Parameter auf das Aktionspotenzial und IKr wa ̈hrend des Aktionspotenzials darzustellen. Wa ̈hrend die gea ̈nderte Kinetik im Strom- verlauf ersichtlich wurde, wirkten sich die Mutationen allerdings auf das Aktionspotenzial nur marginal aus. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass diese Mutationen symptomatische Auswirkungen beim Menschen hervorrufen.Um einen Parametersatz zu erlangen, der Simulationsergebnisse so nahe wie mo ̈glich an den Messergebnissen liefert, wurde die Abha ̈ngigkeit der Abweichung dieser beiden Gro ̈ßen funktionell dargestellt. Dabei wurde beachtet, dass die Topographie des Parameterraums stark von der Gewichtung der unterschiedlichen Beitra ̈ge des zu minimierenden Gesamt- fehlers abha ̈ngt. Das gewa ̈hlte Simplex-Verfahren (siehe Abschnitt 5.2) eignet sich fu ̈r die Minimierung dieses Gesamtfehlers v. a. deshalb, da es keine Gradienten beno ̈tigt, deren Be- rechnung sehr zeitintensiv gewesen wa ̈re. Das Verfahren stellte sich als erfolgreich heraus, um in einer sehr großen aber dennoch durch Wahl der Startwerte begrenzten Umge- bung ein (relatives) Minimum zu finden. Eine Verbesserung zur Auffindung des globalen Minimums ko ̈nnte sich ein vorheriges Abtasten des Parameterraums mit einem so ge- nannten Simulated-Annealing-Algorithmus (Simulierte Abku ̈hlung) als hilfreich heraus stellen. Dieses Verfahren erlaubt im Gegensatz zum Simplex-Algorithmus ein Verlassen eines lokalen Minimums.Aufbauend auf diese Arbeit ko ̈nnten weitere Mutationen untersucht werden, die neben einer vera ̈nderten Kinetik fu ̈r die Aktivierung und Deaktivierung auch Auswirkungen auf die Inaktivierung und den dazu geho ̈rigen Umkehrprozess (recovery from inactivation) haben. Des Weiteren wa ̈ren Untersuchungen anderer Markov-Modelle von Interesse, wie sie in u.a. in dieser Arbeit vorgestellt wurden. Vor allem das Modell von Irvine et al. fu ̈r den Na+-Strom ko ̈nnte an Mutationen angepasst werden, die fu ̈r das LQT3- oder Brugada- Syndrom (siehe Abschnitt 2.6) relevant sind. Jedoch stellen komplexe Modelle wie dieses aufgrund einer großen Anzahl gekoppelter Differenzialgleichungen, kleiner Zeitschritte fu ̈r die Integration und dadurch bedingten langen Rechenzeiten eine Herausforderung dar.